Wo Pastoren zur Ruhe finden. „Haus Inspiratio“ bietet Kurse, um Burnout-Erscheinungen vorzubeugen.

NP Hannover, 28. Dezember 2016 | Bericht von Michael Grau

 

Barsinghausen. Pastoren sollen Bauprojekte leiten, Gelder einwerben, Gottesdienste vorbereiten, schlüssige Konzepte schreiben, Jugendfreizeiten organisieren oder den interkulturellen Dialog voranbringen. Manchmal drohen dann auch noch Gemeindemitglieder mit Austritt, wenn ihre persönlichen Wünsche nicht erfüllt werden, berichtet Pastor Guido Depenbrock: „Wenn ein Pastor dann irgendwann nicht mehr kann, fühlt er sich häufig noch dem Vorwurf ausgesetzt, nicht belastbar genug zu sein.“

Seit zwei Jahren steuert das evangelische Zentrum „Haus Inspiratio“ für Theologen mit Erschöpfungszuständen dagegen an – und ist gut ausgelastet. Die Kurse seien fast immer voll und zum Teil überbucht, sagte Depenbrock als Leiter der Einrichtung. In sechswöchigen Kursen können Pfarrer und Kirchenmitarbeiter eine Pause vom Alltag machen.

„Viele Pfarrer fühlen sich durch die Vielzahl der Ansprüche und Erwartungen im Pfarramt überfordert“, sagt Depenbrock. Das könne zu Enttäuschung und Frustration und bisweilen auch zu psychosomatischen Leiden wie Herzrasen, Appetitlosigkeit oder Schlafproblemen führen. Eine Auszeit vom Stress sei der erste Schritt, um die Probleme in den Griff zu bekommen und BurnoutErscheinungen vorzubeugen. Die Ansprüche an Pastoren seien vielfältig. Auf der einen Seite baue die Kirche Stellen ab und verstärke so die Belastung. andererseits stiegen die Ansprüche. „Auf das Pfarramt konzentrieren sich alle Erwartungen einer in die Krise geratenen Institution“, erläutert Depenbrock: „Pfarrer sollen Gemeindemanager sein und hart verhandeln und zugleich Seelsorger, die immer ein offenes Ohr haben.“

Viele Teilnehmer empfänden es als große Entspannung, Abstand vom Alltag zu haben und nicht auf Anfragen oder Mails reagieren zu müssen. Auch eine Pause vom Druck der Öffentlichkeit entlaste sie: „Sie müssen hier nicht ihr freundliches Sonntagsgesicht aufsetzen, sondern können so sein, wie sie sind.“ In den Kursen lernten die Teilnehmer auch Menschen kennen, denen es ähnlich gehe wie ihnen selbst. Im Alltag erlebten sie sich eher als Einzelkämpfer.

Im ersten Jahr nahmen laut Depenbrock 32 Personen an den Kursen teil. 2016 waren es bereits rund 50. Der Altersdurchschnitt liege bei 50 Jahren. „Das ist ein Thema der Lebensmitte“, sagt der Einrichtungsleiter, „die Kräfte lassen nach, die Ansprüche an sich selbst nicht.“ Pastoren lebten stark von der inneren Motivation. Die meisten Theologen schöpften im Kloster neuen Mut: „Sie gehen fröhlicher, gelassener und zuversichtlicher wieder zurück.“ Fachleute gehen davon aus, dass bis zu fünf Prozent der evangelischen Pastoren von Erschöpfungszuständen betroffen sind.

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