Auszeit von der Kanzel – das Haus inspiratio im Kloster Barsinghausen

Wenn der Pastor nicht mehr kann – dann hilft vielleicht das Haus Inspiratio. Im Kloster Barsinghausen bietet es hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirche seit einem Jahr die Möglichkeit, sechs Wochen Auszeit von ihrem Job zu nehmen. Gärtnern und gemeinsame Küchenarbeit sind genauso dabei wie psychologische und geistliche Begleitung.

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Wo Pastoren zur Ruhe finden. „Haus Inspiratio“ bietet Kurse, um Burnout-Erscheinungen vorzubeugen.

Barsinghausen. Pastoren sollen Bauprojekte leiten, Gelder einwerben, Gottesdienste vorbereiten, schlüssige Konzepte schreiben, Jugendfreizeiten organisieren oder den interkulturellen Dialog voranbringen. Manchmal drohen dann auch noch Gemeindemitglieder mit Austritt, wenn ihre persönlichen Wünsche nicht erfüllt werden, berichtet Pastor Guido Depenbrock: „Wenn ein Pastor dann irgendwann nicht mehr kann, fühlt er sich häufig noch dem Vorwurf ausgesetzt, nicht belastbar genug zu sein.“

Seit zwei Jahren steuert das evangelische Zentrum „Haus Inspiratio“ für Theologen mit Erschöpfungszuständen dagegen an – und ist gut ausgelastet. Die Kurse seien fast immer voll und zum Teil überbucht, sagte Depenbrock als Leiter der Einrichtung. In sechswöchigen Kursen können Pfarrer und Kirchenmitarbeiter eine Pause vom Alltag machen.

„Viele Pfarrer fühlen sich durch die Vielzahl der Ansprüche und Erwartungen im Pfarramt überfordert“, sagt Depenbrock. Das könne zu Enttäuschung und Frustration und bisweilen auch zu psychosomatischen Leiden wie Herzrasen, Appetitlosigkeit oder Schlafproblemen führen. Eine Auszeit vom Stress sei der erste Schritt, um die Probleme in den Griff zu bekommen und BurnoutErscheinungen vorzubeugen. Die Ansprüche an Pastoren seien vielfältig. Auf der einen Seite baue die Kirche Stellen ab und verstärke so die Belastung. andererseits stiegen die Ansprüche. „Auf das Pfarramt konzentrieren sich alle Erwartungen einer in die Krise geratenen Institution“, erläutert Depenbrock: „Pfarrer sollen Gemeindemanager sein und hart verhandeln und zugleich Seelsorger, die immer ein offenes Ohr haben.“

Viele Teilnehmer empfänden es als große Entspannung, Abstand vom Alltag zu haben und nicht auf Anfragen oder Mails reagieren zu müssen. Auch eine Pause vom Druck der Öffentlichkeit entlaste sie: „Sie müssen hier nicht ihr freundliches Sonntagsgesicht aufsetzen, sondern können so sein, wie sie sind.“ In den Kursen lernten die Teilnehmer auch Menschen kennen, denen es ähnlich gehe wie ihnen selbst. Im Alltag erlebten sie sich eher als Einzelkämpfer.

Im ersten Jahr nahmen laut Depenbrock 32 Personen an den Kursen teil. 2016 waren es bereits rund 50. Der Altersdurchschnitt liege bei 50 Jahren. „Das ist ein Thema der Lebensmitte“, sagt der Einrichtungsleiter, „die Kräfte lassen nach, die Ansprüche an sich selbst nicht.“ Pastoren lebten stark von der inneren Motivation. Die meisten Theologen schöpften im Kloster neuen Mut: „Sie gehen fröhlicher, gelassener und zuversichtlicher wieder zurück.“ Fachleute gehen davon aus, dass bis zu fünf Prozent der evangelischen Pastoren von Erschöpfungszuständen betroffen sind.

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Sechs geschenkte Wochen

Vor drei Jahren haben sich drei evangelische Landeskirchen zusammengetan und Inspiratio geschaffen, ein Präventivangebot für Menschen im kirchlichen Dienst, angesiedelt im Kloster Barsinghausen bei Hannover. Drei Teilnehmer des Programms berichten davon, wie sie hier neue Inspiration gefunden haben.

Einen ganzen Koffer voller Bücher hatte Hans Genthe ins Kloster mitgenommen. „Ich dachte: Sechs Wochen Zeit und kaum Programm, was mache ich denn da den ganzen Tag?“, erzählt der Social-Media-Pfarrer, der im Medienhaus der evangelischen Kirche Hessen-Nassau in Frankfurt arbeitet. Genthe hatte sich zu Inspiratio angemeldet, sechs Wochen Auszeit für Hauptamtliche in den evangelischen Kirchen. Wer in einer Krise ist oder am Burnout entlangschrammt, kann im Kloster unter professioneller Begleitung sein Leben überdenken und neue Perspektiven suchen.

„Meist handelt es sich um eine Mischung aus privaten und beruflichen Problemen“, erzählt Guido Depenbrock, Pastor, Eheberater und Leiter von Inspiratio. „Schwierigkeiten im Kirchenvorstand oder mit Kollegen, Eheprobleme, Trennung, pflegebedürftige Eltern, Kinder, die ausziehen.“ Unterstützt wird Depenbrock von der Diplompsychologin und Psychotherapeutin Meike Kohzer. Seit Anfang 2015 gibt es Inspiratio, 14 Kurse sind bereits durchgeführt worden.

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Neue Kraft für müde Pfarrerseelen

Barsinghausen. Im evangelischen Zentrum „inspiratio“ (Barsinghausen bei Hannover) suchen immer mehr Pfarrer Erholung und Ausgleich von der Überlastung in ihrem Beruf. Das berichtete der Leiter der Einrichtung, Pastor Guido Depenbrock, idea. Zwei Jahre nach der Gründung sei das Haus der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers meist ausgelastet. Für einige der sechswöchigen Kurse, an denen sechs Mal im Jahr bis zu neun Personen teilnehmen können, gebe es mehr Anmeldungen als Plätze. Vor zwei Jahren lag die Zahl der Gäste bei 32, 2016 waren es bereits 50. Pfarrer, die sich erschöpft und überlastet fühlen, sollen dort die Ursachen dafür herausfinden und eine Auszeit vom Alltag nehmen können. Dabei gehe es nicht um die Therapie, sondern die Vorbeugung und vereinzelt die Nachsorge von Burn-out-Erkrankungen, sagte Depenbrock.

Auch die Kirchenkrise ist ein Grund
Die Gründe für seelische und körperliche Erschöpfung sind nach Angaben des Pastors vielfältig. Pfarrer müssten sich in hohem Maße selbst motivieren. Das sei für längere Zeit schwierig. Hinzu komme die „Krise des Glaubens und der Kirche“. Pfarrer müssten nicht nur den Glauben in einer säkularen Gesellschaft verteidigen, sondern zugleich den Rückbau der Kirche organisieren. „Frühere Generationen konnten Kirchen und Gemeindehäuser neu bauen, heutige müssen häufig Gebäude entwidmen, Gemeinden fusionieren und Arbeitsbereiche schließen.“ Das führe auch zu negativen Rückmeldungen von der Gemeindebasis. Belastend sei für Pfarrer ferner die ständige öffentliche Präsenz: „Hier finden sie einen Schutzraum hinter dicken Klostermauern, in dem sie Distanz zur Arbeit finden.“

Bis zu 20% der Pfarrer sind betroffen
Die Zielgruppe des Hauses „inspiratio“ sind nach Angaben des Leiters Pastoren, „die spüren, ich bin erschöpft, das geht nicht mehr lange gut“. Das drücke sich in körperlichen Symptomen wie Schlaf- und Appetitlosigkeit oder in Niedergeschlagenheit und Antriebsschwäche aus. Seiner Schätzung nach geht es 20% der Pfarrer so. In der Einrichtung, die sich das Kloster Barsinghausen seit Ende 2014 mit einer geistlichen Gemeinschaft von fünf Schwestern teilt, gibt es Einzel- und Gruppengespräche sowie kreative und sportliche Angebote.

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Auszeit für Geistliche. Der Pfarrer braucht ’ne Pause

Pfarrer sind häufig rund um die Uhr im Dienst. Die Verwaltungsaufgaben sind gewachsen, Gemeinden werden zusammengelegt. Manche leiden unter Erschöpfung, anderen machen private Krise zu schaffen. In einem Kloster in der Nähe von Hannover können überlastete Pfarrer eine Auszeit nehmen.

Bienenbüttel, ein Dorf in der Lüneburger Heide mit 2000 Einwohnern. Direkt an einen kleinen Bach grenzt das Pfarrhaus von Jürgen Bade. Daneben ein großer Garten mit Bäumen, Bänken und Blumen. Nebenan die Backsteinkirche und das Gemeindehaus aus Fachwerk. Doch in dieser so beschaulich anmutenden Idylle ist gelegentlich die Hölle los.

Bade: „Wenn hier ein Schlüssel fehlt oder die Leute kommen nicht rein, dann klingeln sie immer an der Tür. Alle Durchreisenden kommen. Im letzten Jahr waren alleine 168 Pilger hier, die am Pfarrhaus geklingelt haben, wollten irgendwas. Wir sind dann eher ein öffentliches Haus.“

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Bevor es mich zerreißt – Pastoren am Limit

Eine Kirche, ein Pfarrer. Diese Gleichung geht für den katholischen Pfarrer Thomas Berkefeld nicht mehr auf. Seit Herbst 2017 ist er Leiter des Pastoralbereiches Hannover Süd mit zehn Kirchen. Drei Messen in drei verschiedenen Kirchen ist für ihn sonntags normal.
Wie mit dem wachsenden Druck umgehen?

Auch in der evangelischen Kirche wachsen die Aufgaben von Pastoren und Pastorinnen durch Sparmaßnahmen und Strukturveränderungen. Kann der Beruf da noch Berufung sein? Pastoren sind auch Manager von Kitas und Friedhöfen, Verwalter von Gebäuden und Personal. Da kommt der direkte Kontakt zu Gemeindemitgliedern häufig zu kurz. Doch um wie viele Seelen kann sich ein Seelsorger kümmern, bevor seine eigene Seele leidet? Wer hilft einem Pastor, bevor es ihn zerreißt?

Autor Max von Klitzing zeigt den Alltag von Pfarrer Thomas Berkefeld und Pastor Matthias Storck. Er zeichnet ein ganz persönliches Bild der Seelsorger und zeigt an ihrem Beispiel, wie gerade helfende Berufsgruppen mit dem wachsenden Druck umgehen können.

Pastor Matthias Storck hat am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, bis zur Erschöpfung zu arbeiten. Hilfe hat er im niedersächsischen Kloster Barsinghausen gefunden. „Inspiratio“ heißt diese Einrichtung der evangelischen Kirche. Hier nimmt sich Matthias Storck eine Auszeit von der Kanzel.

Psychologische Betreuung, Bogenschießen, der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, Kunsttherapie und Ruhe. So möchte er seine „Fröhlichkeit im Glauben“ wiederfinden. Gestärkt nimmt er seinen Dienst in Herford wieder auf. Doch genau wie für den katholischen Pastor Thomas Berkefeld bleibt es auch für Matthias Storck schwierig, zwischen Beruf und Berufung das persönliche Limit nicht zu überschreiten. Denn mit erschöpften Pastoren kann man keine Kirche von morgen bauen.

(Der Beitrag ist leider nicht mehr bei der ARD verfügbar.)

„Das größte Geschenk meiner Landeskirche“

Das Haus Inspiratio im Kloster Barsinghausen in Niedersachsen bietet eine begleitete Auszeit an für Menschen, die im kirchlichen Dienst stehen. So mancher, der das Angebot einmal genutzt hat, meint: „Das sollte jeder mal machen“. „Haus Inspiratio in Anspruch zu nehmen – das ist kein Makel. Sondern ein Qualitätsmerkmal“, sagt Andrea Rose aus Bielefeld mit einem Augenzwinkern. Die stellvertretende Pressesprecherin der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) hat schon vor zwei Jahren das Angebot der Landeskirche angenommen: Eine begleitete Auszeit von ihrem Job. Sechs Wochen raus aus dem Alltag. Kein Terminkalender. Kein Zeitdruck. Kein Stress.

Vor einem guten Jahr war Pfarrer Gerd Oevermann aus Dülmen im Kloster Barsinghausen, wo auch Haus Inspiratio angesiedelt ist. „Ich war bei Terminen manchmal nicht richtig anwesend, weil ich gedanklich schon beim nächsten war“, sagt er. „Ich wurde immer unzufriedener und fühlte mich gestresst.“ Im Gespräch mit dem Superintendenten, mit Kollegen und seiner Familie …

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Wenn die Berufung zur Belastung wird

Für viele Pfarrer ist ihr Dienst eine Berufung – vielseitig und erfüllend. Doch die Belastung, die dieser Beruf mit sich bringt, ist mitunter extrem hoch. Laut einer Studie der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland ist fast jeder achte Pfarrer von Burn-out betroffen. Um dem vorzubeugen, wurde im Kloster Barsinghausen die geistliche Beratung „inspiratio“ gegründet. Mit dem Leiter der Einrichtung, Guido Depenbrock, und der Psychotherapeutin Meike Kohzer sprach idea-Reporter Karsten Huhn. www.idea.de

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